Im Rahmen des Buchprojekts „Geschichten hinter der Geschichte“ finden in lockerer Folge Leseabende statt, an denen Erinnerungen von Saulgauer Seniorinnen und Senioren die Zeiten vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg lebendig werden lassen.
Charlotte Landig | Foto: Albert Drescher
Auch nach dem Tod ihres Mannes wohnt Charlotte Landig noch immer in ihrem Elternhaus, sie versorgt sich selber und ist stolz auf ihren schönen Blumengarten. Zu ihrer Freude ist die Familie inzwischen auf zehn Enkelkinder und eine 15-köpfige Urenkel-Generation angewachsen. Zeitlebens war sie im Einsatz auf dem Hof, den ihr Vater Eugen Veeser später an Charlotte und ihren Ehemann Bruno Landig übergab. Sie hatte den jungen Mann bei einem ihrer Besuche im „berühmten“ Café Kaisser in Saulgau kennengelernt. Er kam aus Westpreußen und hatte als versprengter Soldat eine wahre Odyssee hinter sich.
Möglicherweise hätte sich Charlottes Traum, Lehrerin zu werden, erfüllt, wäre sie nicht auf einem Bauernhof in Lampertsweiler zur Welt gekommen.
So aber war das Mädchen eine unverzichtbare Kraft.
„a Höfle“
Klein sei der Hof gewesen: etwas Großvieh, darunter ein Ochse zum Ziehen der Fuhrwerke, und ein paar Schweine. Und doch musste man zu Dritt „viel schaffa“. Vor allem die Feldarbeit, die überwiegend aus Handarbeit bestand, erforderte großen körperlichen Einsatz.
Die Schulzeit verbrachte das Mädchen, wie alle Kinder aus Lampertsweiler, in der Dorfschule in Boos. Bevor der Unterricht begann, hatten selbst die jüngsten Schüler schon einen langen Schulweg zurückgelegt – zu Fuß, bei jedem Wetter. Besonders beschwerlich war das in den schneereichen Wintern. Oft waren die Straßen zugeweht, man musste sich durch tief verschneite Felder kämpfen. Manchmal allerdings hatten die Kinder Glück, denn bei besonders widrigen Verhältnissen spannte einer der Bauern, die Pferde besaßen, den großen Schlitten an und setzte die Schüler vor dem Schulhaus ab …
Anton Dreher | Foto: Albert Drescher
Antons Spielplatz war der Dreher-Hof, wo er zusammen mit den Nachbarkindern relativ behütet und dennoch bewusst die bedrohenden und beängstigenden Momente des Krieges wahrnahm. Er erzählt von Streifzügen durch die nahen Wälder, bei denen er mit seinem Freund häufig Munitionsreste – ein gefährliches Spielzeug – gefunden und „ausprobiert“ hat.
In der entbehrungsreichen Zeit des Krieges war die Versorgung der Bevölkerung lebenswichtig: Da sein Vater mit seinem „Kramer-Schlepper“ auch den anderen Bauern im Dorf half, ihr Land zu bewirtschaften, wurde er nicht zum Kriegsdienst eingezogen.
Im Sommer 1945 spielte ich unterhalb von unserem Obstgarten in einem Schützengraben. Hinter einem „Graswasen“ fand ich eine Metallkugel, die ich natürlich gleich näher in Augenschein nahm. An der Kugel befand sich eine Schraube, die ich herausdrehte. Zusätzlich war die Schraube an einer Schnur angebunden. Selbstverständlich zog ich einmal an der Schnur. Ich nahm den Fund mit und präsentierte ihn meinem Vater. Als er sah, was ich in der Hand hatte, wurde er kreidebleich und rief:
„Um Gottes Willen, Bua, wo bringsch du die Eierhandgranat her?“
Das ist nun schon so lange und es mag etwas seltsam klingen, dass mich diese Geschichte heute noch beschäftigt: Ein etwas stärkerer Zug an der Schnur, und mein „Spielzeug“ hätte mich in tausend Stücke gerissen.
Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Herzlichen Gruß
Ihre Arbeitsgruppe SLG - Spuren Lebendig Gemacht
Arbeitsgruppe SLG
Stadtarchiv Bad Saulgau
Maria M. Gelder
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und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER).
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