Sehr geehrte Damen und Herren,
gerne möchten wir Ihnen unser Projekt zum hochaktuellen Thema Erinnerungskultur vorstellen. In den „Geschichten hinter der Geschichte“ erzählen Zeitzeugen aus Kriegstagen - ihre Wege kreuzten und kreuzen sich in Saulgau und Umgebung. Diese authentischen Lebenserinnerungen sind nicht nur wertvolle Zeitdokumente eines bisher kaum beachteten Kapitels der Bad Saulgauer Stadtgeschichte, sondern sie spiegeln auch unsere heutige Gesellschaft wider, die vom Schicksal dieser Generation mitgeprägt wurde.
Unser Projekt ist somit auch eine Wertschätzung des Kraftakts dieser Generation, die die materiellen Zerstörungen, die dieser furchtbare Krieg hinterlassen hat, tapfer und tatkräftig wieder aufgebaut hat.
Diese sehr persönlich erzählten Erlebnisse sollen unsere Herzen berühren, damit wir diese Epoche nicht vergessen und für ein friedliches Miteinander daraus lernen.
Freiheit ist nicht selbstverständlich - Freiheit gibt man weiter!
Das herausfordernde Projekt wurde und wird durch viele Mitdenker und Sponsoren unterstützt – wir danken allen, die uns ihr Vertrauen geschenkt und uns in schwierigen Momenten wieder Mut gemacht haben, jeden Tag einen Schritt weiter zu gehen!
Wir danken Silvia Baur, Irmgard und Eberhard Bertsch, Monika Fischer, Wolfgang Jung, Eugen Kienzler, Matthias Metzler, Karin Mutschler, Manfred E. Restle, Christiane Scheck, Thomas Scheck, Olaf Schumann, Marion Stärk, Joachim Streit, Fritz Weiß, Elisabeth Wesselmann und Manfred Wetzel für ihren tatkräftigen Einsatz. Sie alle haben ehrenamtlich und mit viel Einfühlungsvermögen geholfen, unser Projekt umzusetzen.
Die Malerin Anca Jung hat mit ihren expressiven Bildern „Spuren Lebendig Gemacht“.
Michaela Deiglmayr hat die informative Internetseite der Arbeitsgruppe SLG (www.arbeitsgruppe-slg.de) erstellt und aktualisiert diese.
Wir sagen DANKE!
Conny Scheck & Maria Margarete Gelder
… meine persönlichen Beweggründe, die mich im Januar 2021 dazu veranlassten, zusammen mit Mary Gelder das Saulgauer Zeitzeugen-Projekt zu starten.
Im Jahr 2019 habe ich in meiner niederländischen Wahlheimat bei einem Buch-Projekt mitgearbeitet, bei dem wir anlässlich der Gedenk-Feierlichkeiten „75 Jahre Befreiung und Frieden“ noch holländische Zeitzeugen nach ihren Kriegserinnerung befragten - unser kleines Dorf wurde damals von den Deutschen besetzt und kurz vor Kriegsende auch zerstört:
Am 8. Februar 1945 begann die Rheinland-Offensive, die kanadischen Truppen durchbrachen hier mit Amphibienfahrzeugen die deutsche Linie. Die deutsche Wehrmacht hatte sich am Waal-Deich und bei der kleinen Siedlung Zandpol verschanzt. Das Hochwasser, das durch den gesprengten Deich die Polder überflutete, erschwerte die Kampfhandlungen, bei denen neun junge Kanadier ums Leben kamen. Am Tag darauf wurde Kekerdom befreit, doch die Zivilbevölkerung, die Monate zuvor evakuiert worden war, konnte erst im Mai 1945 wieder in ihr verwüstetes Dorf zurückkehren. Von den enormen Kriegsschäden erholte sich die Siedlung Zandpol nicht mehr – sie verschwand in den 1960-iger Jahren gänzlich vom Erdboden.
... durch diese Arbeit knüpfte ich einen engen und sehr herzlichen Kontakt mit vielen Senioren, ich erfuhr viel über ihr Leben in unserem Dörfchen Kekerdom, damals und auch heute. Dass ich mit meinen deutschen Wurzeln „eigentlich“ zu den ehemaligen Besatzern gehöre, schien keinen zu „stören“ - ganz vereinzelt wunderten sich ein paar, dass ich mich so selbstverständlich mit den „Bangen Tagen von Kekerdom“ befasste und fragten mich, wie sich die holländische Spurensuche denn als Deutsche anfühle. Da fiel auf, wie wenig ich über meine, die Saulgauer Heimatgeschichte wusste …
Ich fragte deshalb im September 2019 meine Eltern, wie sie als Kinder den Krieg in Saulgau und Umgebung erlebten. Es war erstaunlich, was sie noch alles wussten - doch sie hatten uns Kindern nie davon erzählt!
Parallel dazu erreichte mich eine Anfrage vom Bad Saulgauer Stadtarchiv: drei Männer aus den Niederlanden suchten nach Informationen über einen Anton Franz Schmid aus Saulgau aus der Gutenbergstraße. Mary Gelder vom Stadtarchiv hakte intuitiv bei meiner Mutter nach und wurde umgehend „fündig“: besagter Anton Franz war der Cousin von Lore Scheck - er war der Pilot, der im Oktober 1944 mit seiner Kampfmaschine bei einem Einsatz nach England über einem kleinen holländischen Dorf in der Provinz Friesland abgestürzt war. Alle Besatzungsmitglieder fanden den Tod, sie sind im holländischen Ysselsteyn auf dem riesigen Kriegsfriedhof zusammen mit 32.000 jungen deutschen Soldaten begraben. Ein unvorstellbares Meer von steinernen Kreuzen!
Nach 75 Jahren war ich das erste Familienmitglied, das zu Antons 100. Geburtstag sein Grab besuchte: auch seine Mutter „Tante Rese“ - wusste nie genau, wo ihr Sohn beerdigt war. Dies war ein sehr, sehr bewegender Moment - ein unbekanntes Grab hatte plötzlich ein Gesicht, das Gesicht unserer Familie.
► siehe auch: https://www.volksbund.de/nachrichten/suchen-was-uns-verbindet-nicht-was-uns-trennt
Faces to graves - diese Erfahrung und die Erzählungen meiner Eltern veranlassten mich, zusammen mit Mary Gelder auf die Saulgauer Spurensuche zu begeben:
damit wir die unfassbaren Geschehnisse von damals nicht vergessen - auch ein bisschen mahnen und vor allem daraus lernen!
Wohin am Ende ideologische Verleitung und falsche Worte führen, das kann man nirgendwo besser nachvollziehen als auf einer Kriegsgräberstätte wie Ysselsteyn/Niederlande.
Krieg, das ist nichts, wovon man nur in Geschichtsbüchern liest oder in Erzählungen der Großeltern hört – das Thema Krieg ist auch 2024 leider brandaktuell!
Arbeitsgruppe SLG
Stadtarchiv Bad Saulgau
Maria M. Gelder
Öffnungszeiten: Di u. Mi v. 8 - 12 Uhr